Sturer Esel?

Gestern waren wir mit Eseln unterwegs. Eseltrekking. Von dem Eifeldörfchen Nettersheim ging es den Erlebnispfad entlang durch Wald und Wiesen und vorbei an römischen Ausgrabungen und Fossilienfeldern.

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Unser großer Kleiner hat ordentlichen Respekt vor Tieren, zumal wenn sie größer sind als er und das Maul so weit aufreißen können. Er hat es vorgezogen, die Esel aus sicherer Entfernung zu betrachten. Die Begeisterung unseres Kleinen dagegen kennt keine Grenzen, wenn er Tiere sieht. Immerhin unterscheidet er inzwischen begrifflich: „gag gag“ für alles, was fliegt und einen Schnabel hat, und „wau wau“ für alle restlichen Tiere. Wir mussten ihn etwas zurückhalten, denn auch wenn uns versichert wurde, dass die Esel sehr kinderlieb sind, waren wir uns manchmal doch nicht sicher, ob sie diese übergroße Zuneigung teilen.

Foto: Judith Schmidt

Foto: Judith Schmidt

Samuel und Ephraim hießen unsere tierischen Begleiter. Die Esel haben unsere Tasche, Picknickdecke und das Laufrad getragen. Wir haben die Esel geführt.

Ich war erstaunt, wie einfach das war. Ich weiß gar nicht so genau, was ich mir vorgestellt hatte. Wahrscheinlich, dass der Esel ständig stehen bleibt oder in eine andere Richtung will, und dass man an ihm ziehen und zerren muss, damit er sich in Bewegung setzt. Dass man auf diese Weise kaum vorwärts kommt. Aber weit gefehlt! Der Esel trabte ruhig und stetig neben mir her. Ich hatte nichts zu tun, außer die Leine zu halten und den Esel ab und an mal vom Fressen abzuhalten. Fängt er damit nämlich einmal an, dann will er wirklich nicht mehr weiter.

Auf meine Frage, woher denn die Vorstellung vom sturen Esel kommt, bekam ich von unserer Begleiterin einen kurzen Exkurs über die Herkunft der Langohren. Sie sind Wüstentiere, ihr ursprünglicher Lebensraum waren Geröllwüsten. Da musste jeder Tritt sitzen. Deshalb prüfen die Tiere genau den Untergrund, und wenn sie unsicher sind, gehen sie nicht weiter. Sie überlegen, wohin sie den Fuß setzen können, und einer Pfütze kann man ja nicht ansehen, ob man in ihr ertrinken kann oder nicht. Also, ein Esel kann das zumindest nicht. Eigentlich ist dieses Zögern sehr schlau von ihnen. Nur die Menschen meinen schnell mal, sie hätten nicht die Zeit abzuwarten. Sie ziehen an dem armen Tier, das sich in ihren Augen stur stellt und rumbockt.

Oh, wie fühlte ich mich bei diesen erklärenden Worten an manche Situation zuhause erinnert! Die Kinder wollen sich partout nicht in Bewegung setzen, wenn wir aus dem Haus müssen. Sie tun scheinbar völlig irrationale Dinge, die mich schlicht auf die Palme bringen und die Geduld verlieren lassen. Oft gibt es dafür einen – meistens erst im Nachhinein  erkannten – völlig einfachen Grund. Der große Kleine ist zum Beispiel noch nicht mit seinem Lego-Projekt fertig. Wenn ich – verbal oder handgreiflich – an ihm ziehe und zerre, schaffe ich es meistens nicht, ihn in Bewegung zu setzen. Dafür sind wir beide ziemlich schnell ziemlich am Ende mit unseren Nerven. Nehme ich aber meine Ungeduld für einen Moment zurück und frage ihn, wie lange er noch braucht, bekomme ich oft eine höchst realistische Einschätzung. Wenn ich mir dann die Zeit nehme, diese ein, zwei Minuten abzuwarten, haben wir im Vergleich zu der ersten Vorgehensweise wahrscheinlich keine Zeit verloren, dafür aber unsere Nerven geschont und unsere gute Stimmung bewahrt.

„Wenn wir vollkommen an unser Kind glauben, vertrauen wir darauf, dass es in jedem Augenblick sein Allerbestes tut – seinem Alter, seiner Erfahrung und den Umständen entsprechend.“ (Jan Hunt, Mensch Kind)

Dieser Satz ist mir vor gut einem Jahr zum ersten Mal begegnet, und ich habe ihn sofort als wahr und stimmig empfunden. Warum verliert man das im Alltag so oft aus dem Blick?

Gestern habe ich mich von den Eseln daran erinnern lassen…

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Auch mit diesem Beitrag mache ich wieder mit bei GRÜNZEUG von naturkinder.

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